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Mein Lieblingstool im Coaching? Teil I: Zuhören und Fragen

Mit den Coaching Tools ist es ein bisschen wie mit Wasserwaagen, Sägen, Bohrern und sonstigen Gerätschaften, mit denen ein Handwerker hantiert. Es ist schön sie zu haben. Aber jedes Werkzeug ist nur so gut wie der Handwerker, der es benutzt. Ich kenne einen Zimmermann, der alle Balken und Bretter für ein Holzhaus mit einer einfachen Kettensäge zuschneiden musste, weil es im Wald keinen Stromanschluss für seine teuren Präzisionssägen gab. Das Haus wurde trotzdem gut. Weil er sein Handwerk verstand. Wäre das nicht der Fall, hätten die besten Werkzeuge auch nichts genützt. Mit dem Coach ist es ähnlich. Damit er seine Werkzeuge gut einsetzen kann, sollte er sein Handwerk verstehen.
Was also macht den guten Coach aus? Aus meiner Sicht vor allem eine besondere Kunst der Gesprächsführung, die auf zwei Säulen ruht: Dem aufmerksamen empathischen Zuhören und dem absichtsvollen, geschickten und mitunter durchaus überraschenden Fragen.
Durch offenes und urteilsfreies Zuhören kann sich der Coach in seinen Klienten hineinversetzen und meldet ihm das auch zurück. Er hält dabei doch genug Abstand, um ihm durch seine Fragen neue Perspektiven zu öffnen. Was das für Fragen sind? Angenommen der Klient berichtet über Schwierigkeiten mit seinen Kollegen. Die Frage „Was könnten Sie tun, um ihre Situation erheblich zu verschlimmern?“ lenkt den Blick auf das eigene destruktive Verhalten und regt zum Nachdenken über sinnvolle Alternativen an. Die Frage „wie sieht ihr Verhalten wohl aus der Sicht Ihres Kollegen aus?“ lädt dazu ein, von einem ungewohnten Standpunkt aus neue Erkenntnisse zu gewinnen.
All das und noch viel mehr dient dem Ziel, den Klienten in seiner Selbstwirksamkeit zu unterstützen. Der Klient soll zum Akteur werden. Er selber entwickelt und findet die Lösungen für sein Problem. Der Coach stellt ihm eine Struktur zur Verfügung, die das ermöglicht. Denn fertige Lösungen, die uns von anderen präsentiert werden, können niemals die gleiche Begeisterung auslösen wie die Ideen, die wir selbst entwickelt haben. Im Jobcoaching ist das von besonderer Bedeutung. Das Berufsziel oder die Neuorientierung, die ich selbst entwickle, werde ich mit ganz anderer Begeisterung verfolgen als gutgemeinte Vorschläge von anderen.
Ich könnte es mir jetzt leicht machen und sagen: mein Lieblingstool im Coaching ist die Kunst der Gesprächsführung. Aber das wäre geschummelt. Denn eine gute Gesprächsführung versetzt mich erst in die Lage, meine Coaching-Werkzeuge sinnvoll zu benutzen. Welche ich besonders mag, darüber im nächsten Beitrag mehr.

Nelle, Dr. Florian Job & Karriere Coach
23. August 2022