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Natürliche Resilienz – sich selbst wieder ins Gleichgewicht bringen

Seelische Krankheiten als Folge von arbeitsbedingten Belastungen sind sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch volkswirtschaftlicher Sicht zum Problem geworden. Der Spiegel berichtete kürzlich von einem volkswirtschaftlichen Schaden von über 6,3 Milliarden Euro jährlich.

Wie geht es weiter, wenn die klinische Diagnose Erschöpfungsdepression lautet?

Es gibt Burnout Betroffene, „die haben nach der Krise erst richtig aufgedreht, aber in einer neuen, nicht überstressenden Weise“. Diese Menschen haben aus der Not heraus den Mut und die Kraft aufgebracht, ihr Leben umzukrempeln und ihre Träume zu verwirklichen. Mittels der natürlichen Resilienz haben sie sich wieder ins innere Gleichgewicht gebracht.

Woher kommt die Resilienz?

❓ Wer von uns hat die Fähigkeit auch nach einer schweren Bodenlandung wieder aufzustehen und wie geht das?

Die neueste Trauma- und Trauerforschung geht davon aus, dass der Mensch „resilienter“ ist, als man bisher annahm. „Persönliche Souveränität“ und die Entwicklung eines stabilen Selbst sind dabei die Grundlagen eines erfolgreichen Selbstmanagements. Die „Sorge um sich selbst“ wirft Fragen auf wie:
❓ Was hat mich krank gemacht?
❓ Was muss ich ändern, damit ich wieder gesund werde?
Und vor allem:
❓ Worüber freue ich mich? Was macht mich glücklich und zufrieden?

Der Artikel orientiert sich an dem Burnout Modell von Professor Hilarion Petzold.

Dr. mult., Hilarion G. Petzold, Universitätsprofessor, lehrte Psychologie an der Freien Universität Amsterdam und derzeit Supervision an der Donau Universität in Krems. Er ist Begründer der Integrativen Therapie und Mitbegründer des Fritz Perl Instituts.

Als Autor zahlreicher Bücher und wissenschaftlicher Veröffentlichungen befasst er sich seit 1968 als einer der ersten Wissenschaftler mit „Überforderungserlebnissen“ in der Arbeitswelt, den daraus folgenden Burnoutzuständen und möglichen Präventionsmethoden.
Weitere Quellen

George A. Bonanno, Professor für klinische Psychologie an der New Yorker Columbia University

"Die natürliche Resilienz, Verlustschmerz und Trauma aus eigener Kraft überwinden"

Burnout und was dann?

Es gibt eine Vielzahl von Berichten über Burnout, seine Entstehung, den Verlauf und die tragischen Folgen für die Betroffenen. Es gibt aber auch eine große Anzahl an Menschen, die nach dem Burnout so richtig aufdrehen!

Gerhard B. ist ein erfolgreicher Manager, liebevoller Familienvater, leidenschaftlicher Rennradfahrer. Sein Privat- und Berufsleben verlief bisher geradlinig und erfolgreich: Abitur, Studium, ein gut bezahlter Arbeitsplatz in der Finanzbranche. Gerhard B. ist glücklich verheiratet und hat zwei gesunde Kinder.

Seinen Beruf verrichtet er mit viel Enthusiasmus und hoher Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber. Er ist sehr ehrgeizig und sein Bedürfnis nach Anerkennung wird voll und ganz befriedigt.

Der plötzliche Verkauf des Unternehmens an einen amerikanischen Investor bringt eine neue unternehmerische Marschrichtung mit sich. Die Umstrukturierung der Organisation und die veränderten Anforderungen bringen Gerhards Wertekonstrukt ins Wanken.

Der Erfolgsdruck steigt, Ergebniszahlen und der Faktor Zeit sind bestimmend für all sein Tun. Idealismus ist nicht mehr gefragt, Wertschätzung mutiert zum Fremdwort. Unternehmensinterne Konflikte durch mangelnde Kommunikation häufen und verschärfen sich. Ziel- und Sinnhaftigkeit bleiben für Gerhard auf der Strecke.

Er schläft schlecht, liegt in der Nacht 3 bis 4 Stunden wach und grübelt. Da er nun auch an den Wochenenden arbeitet, findet er kaum Zeit für Frau und Kinder. Sein Rennrad setzt Staub an. Gerhard entspannt sich immer häufiger mit einer Flasche Rotwein, spät abends allein, ohne Frau oder Freunde, so wie er es früher immer tat.

Stress im Alltag und die Konsequenzen

Einen gemeinsamen und entlastenden Austausch gibt es nicht mehr. Auch für genussvolles miteinander Essen im Familien- oder Kollegenkreis ist die Zeit zu knapp. Mahlzeiten nimmt er nur noch zwischendurch und unkontrolliert im Vorbeigehen zu sich. Innerhalb eines Jahres nimmt Gerhard 15 Kilogramm Körpergewicht zu. Kopfschmerz und Müdigkeit werden zur Qual, an Sexualität verliert er das Interesse.

Eines Nachts schreckt er auf, sein Herz rast, es fühlt sich an, als würde er die Kontrolle verlieren. Der Arzt diagnostiziert Herz-Rhythmus-Störungen und Bluthochdruck aufgrund beruflicher Belastung und Überforderung. Gerhard nimmt Betablocker und funktioniert weiter. Dabei zieht er sich aus seinem sozialen Umfeld immer mehr zurück.

Warnrufe seiner Frau und Freunde ignoriert er und tut diese lächelnd ab. Die Konflikte im Beruf verschärfen sich. Jemand sägt an seinem Stuhl und intrigiert gegen ihn. Erfolgsdruck und Belastung steigern sich weiter.

Während einer Geschäftsreise verliert Gerhard in seinem Hotelzimmer für einen kurzen Moment das Bewusstsein. Nachdem er orientierungslos aufwacht, wird er von Weinkrämpfen heimgesucht und seine Gedanken fangen an sich zu verselbstständigen. Wieder dieses unangenehme Gefühl des Kontrollverlustes.

„Wäre nicht meine Frau gewesen, die mir am Telefon Mut zusprach und an meine Verantwortung gegenüber den Kindern appellierte – ich weiß nicht, was ich getan hätte in diesem Moment. Mein Leben erschien mir einfach sinnlos.“

Burn Out - Erschöpfungsdepression

Gerhard ist nicht mehr in der Lage, weiter zu arbeiten und für sich zu sorgen. Er fühlt sich müde, ausgebrannt und vollkommen am Ende. „Als wäre ich aus meinem Körper herausgetreten“. Gerhard hat Burnout. Diagnose: Erschöpfungsdepression. Er geht für einige Wochen in eine auf psychosomatische Beschwerden spezialisierte Klinik.

Dort hilft man ihm zunächst mit einer gezielten Burnout Therapie. Die Gefahr an Burnout: es entwickelt sich schleichend, ohne dass der Betroffene etwas davon bemerkt, bis auf einmal der Punkt erreicht ist, an dem nichts mehr geht.

Dr. mult., Hilarion Petzold, Universitätsprofessor, lehrte Psychologie, Psychotraumatologie und Supervision an der Freien Universität Amsterdam und der Donau Universität Krems. Er ist Begründer der Integrativen Therapie und Mitbegründer des Fritz Perl Instituts sowie Autor zahlreicher Bücher und wissenschaftlicher Veröffentlichungen: „Burnout entsteht vor allem durch retraumatischen Stress und Mobbing.“

Stress als häufigster Grund für Krankmeldungen

Eine Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für berufsbedingte Risiken belegt: Fast jeder vierte Beschäftigte in der Europäischen Union leidet unter jobbedingtem Stress.

Die meisten Auslöser für den Stress seien unsichere Arbeitsverhältnisse, Hetze und Termindruck, zu lange Arbeitszeiten sowie Informations- und Medienüberflutung und familiäre Belastung durch unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die Beobachtungsstelle geht davon aus, dass die Zahl der Betroffenen weiter zunehmen wird.

Allerdings ist sich die Wissenschaft nicht ganz einig, ob die Zahl der psychischen Erkrankungen zugenommen hat oder ob sich insgesamt ein höheres Bewusstsein für die Diagnose Burnout und Depression entwickelt hat.

Tatsache ist, dass seit 1999 die Fehlzeiten der Beschäftigten aufgrund psychosomatischer Beschwerden um 80% angestiegen sind. Nach einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ist 2010 nahezu jeder zehnte Ausfalltag auf eine psychische Erkrankung zurück zu führen.

Untersuchungen der Krankmeldungen von über 10 Millionen AOK Versicherten ergab: Burnout wird zunehmend von den Ärzten als Diagnose dokumentiert. Entfielen im Jahr 2004 auf je 1000 AOK Versicherte noch 8,1 Tage mit Krankschreibungen wegen Burnouts, so stieg die Zahl 2010 um das 9-fache auf 72,3 Tage!

Hochgerechnet auf die mehr als 34 Millionen gesetzlich Krankenversicherten bedeutet das laut Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdo: Im vergangenen Jahr wurden knapp 100 000 Menschen für insgesamt mehr als 1,8 Millionen Tage wegen eines Burnouts krank geschrieben.

Alarmierende Zahlen! „Zeitdruck und Stress nehmen offenbar zu und die Gefahr besteht, dass die Menschen von zwei Seiten gleichzeitig „ausbrennen“, vom Beruf her und durch familiäre Belastungen.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht darin sogar eines der größten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts. Dies scheint nicht bis zur Deutschen Gesundheitspolitik vorgedrungen zu sein, denn für die Bekämpfung der sechs wichtigsten Volkskrankheiten: Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Infektionen, Lungenleiden oder neurodegenerative Erkrankungen, stellt das Bundesforschungsministerium bis 2015 ganze 700 Mio. Euro zur Verfügung.

Mit dieser Finanzspritze sollen in Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) optimale Forschungsbedingungen geschaffen werden. Psychosomatische Erkrankungen hat man offenbar vergessen. Liegt es vielleicht daran, dass Burnout „bloß“ ein Zustand und kein Krankheitsbild und somit als Berufskrankheit nach der internationalen Klassifikation ICD-10 nicht anerkannt ist?

Gute Frage. Dennoch sind seelische Krankheiten als Folge von arbeitsbedingten Belastungen zum Problem geworden. Sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet dies: horrende Krankenkosten, hohe Fluktuationen, frustrierte Mitarbeiter und demotivierte Teams sowie geringere Produktivität durch allgemeinen Leistungsabfall. Der Spiegel berichtete kürzlich von einem volkswirtschaftlichen Schaden von über 6,3 Milliarden Euro jährlich.

Burnout als Chance!

Gerhard B. hat der Burnout neue Perspektiven eröffnet

Er wird nach einigen Wochen aus der Klinik entlassen und fühlt sich eigenen Angaben zufolge gestärkt und stabilisiert: „Ich hatte plötzlich Zeit zum Nachdenken. Über mich, meinen Job, meine Familie und Freunde. Und vor allem darüber, was mir wirklich wichtig ist im Leben. Was für mich Glück bedeutet.“

Während der ressourcenorientierten Therapie hat sich Gerhard vorzugsweise mit seinen Stärken beschäftigt. Durch Entspannungsübungen wie Yoga, Taiji und Qi Gong kommt Gerhard mit seinem Inneren in Berührung.

„Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich wieder selber spürte und das Gefühl hatte, wieder Herr der Lage zu sein. Der Moment war sehr befreiend.“

Die zurückerlangte Energie und Willenskraft haben Gerhard darin bestärkt, sein berufliches Leben zu verändern. „Ein Wandel musste her. Etwas ganz Neues. Nur nicht in die alte Tretmühle zurück!“ Nach vielen Gesprächen im Familienkreis entscheidet sich Gerhard, sein langjähriges Angestelltenverhältnis zu kündigen, um sich etwas Neues aufzubauen. „Ich fühlte mich auf einmal wie ein Stehaufmännchen und konnte mit positiven Gefühlen in die Zukunft schauen.“

Innerseelische Rettungskraft

Die innerseelische Rettungskraft schützt uns davor, nach Schicksalsschlägen nicht für immer und ewig den Boden unter den Füßen zu verlieren. Im Fachjargon heißt das Resilienz und bedeutet aus dem Lateinischen kommend resiliere – „abspringen“ oder „abprallen“. Zu deutsch: die Widerstandsfähigkeit.

Petzold beschreibt die natürliche Resilienz als eine Fähigkeit, mit belastenden Umständen und Stress so umzugehen, dass man sein normales Verhalten trotz aller Erschütterungen aufrecht erhalten kann.

Die Stärke, mit extremen Belastungen fertig zu werden, bedeutet nicht, direkt nach dem Desaster wieder zur Tagesordnung zurück zu kehren und weiter zu machen, als wäre nichts geschehen.

Eine mitunter jahrelange Phase der Trauer, Depression oder gar „Posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) wäre eine völlig normale Reaktion auf erschütternde Schicksalsschläge oder extreme Belastungssituationen – aber nur für eine gewisse Zeit. Resiliente Menschen sind wie Gerhard B. nach einer gewissen Zeit in der Lage, aus einer schwierigen Situation das Beste heraus zu holen. Sie lassen sich nicht unterkriegen und ziehen sich selber wieder aus dem Schlamassel heraus.

Natürliche Resilienz – sich selbst wieder ins innere Gleichgewicht bringen

Woher kommt die Resilienz und wer von uns hat die Fähigkeit auch nach einer schweren Bodenlandung wieder aufzustehen? Erklärungen hierfür werden laut Petzold noch strittig diskutiert. Das Meinungsspektrum reicht von genetischer Veranlagung bis hin zu der Ansicht, resiliente Menschen hätten die Fähigkeit zur Bewältigungsleistung im Laufe Ihres Lebens erlernt. Anlage und Umwelteinflüsse, beide Faktoren scheinen einen großen Einfluss auf unser Tun zu haben.

Diese Fähigkeit ist weiter verbreitet als wir vermuten. Wer kennt es nicht, in Phasen von Trauer oder Verlust, trotzdem weiter zu funktionieren? Zwischen Kummer und positiven Gefühlen zu wechseln und dabei dennoch flexibel zu agieren?

George A. Bonanno, Professor für klinische Psychologie an der New Yorker Columbia University, hat sich fast zwei Jahrzehnte der Erforschung von Traumata und Trauer verschrieben. In seinem Buch „Die natürliche Resilienz, Verlustschmerz und Trauma aus eigener Kraft überwinden“, nimmt Bonanno eine hoffnungsvolle Position ein:

Er vertraut auf die natürliche Resilienz. Es gibt eine große Zahl von Betroffenen mit einer authentischen Widerstandskraft, die in der Lage sind, trotz belastender Situationen „das Lächeln nicht zu verlieren“.

Menschen genesen höchst unterschiedlich. Die einen fallen nach einem schweren Schicksalsschlag in eine jahrelang anhaltende Depression und die anderen besitzen die Fähigkeit, negative Geschehnisse äußerst schnell zu verdrängen. Diese Gruppe von „robusteren Naturen“ passe sich äußerst schnell neuen Lebensbedingungen an.

Diese Menschen kommen, so Petzold, nach dem natürlichen Vorgang von Trauer wieder schneller auf die Beine und können sich in flexibler Weise den Herausforderungen des Lebens anpassen und damit die eigene Selbstwirksamkeit wiedergewinnen.

Die neue Welle der Trauma- und Trauerforschung geht davon aus, dass der Mensch resilienter ist, als man bisher annahm. Nachdem Bonanno den Gesundheitszustand der 9/11 Beteiligten untersucht hat, kommt er zu dem Ergebnis: „Die meisten Leute wären besser dran gewesen, wenn sie die Sache einfach verdrängt hätten.“

Unprofessionelle Notfallseelsorge oder psychologische Notfalltherapie nach Verlust oder Traumaerfahrungen stören den Prozess der eigenen innerseelischen Rettungskraft. Zahlreiche Studien und Analysen belegen, dass es einem Teil der Behandelten nach solch einer Maßnahme schlechter geht.

„Lediglich zehn bis 15% all jener, die mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert werden, benötigen tatsächlich professionelle Hilfe“, so Bonanno. Meist würden die Stresssymptome wie Schlafstörungen, innere Unruhe oder Konzentrationsprobleme binnen kurzer Zeit von ganz allein verschwinden. Diesen robusteren Naturen empfiehlt Bonanno, wenn sie vom Schicksal gebeutelt wurden, zur seelischen Gesundung: „Relax und lenk dich ab.“

Petzold bezeichnet „Orpha-Phänomene“ wie still werden, sich sammeln, sich neben sich stellen, als natürliche Resilienz aus unserem „innersten Kern“. Diese muss man wirken lassen, damit sich Reorganisationskräfte im Prozess der Restabilisierung entwickeln können.

Der europäische Trauerspezialist bemerkt oft in seinen Seminaren: „99,9 Prozent aller traumatisierten Katastrophenopfer weltweit müssen ohne professionelle Traumatherapie auskommen. Die meisten von Ihnen bewältigen sie durch soziale Unterstützung und Überwindungserfahrungen, die sie wieder aufstehen lassen und krisenfester machen.“

Übertragen auf die Wirksamkeit von Therapie für sämtliche seelische Anliegen, läge diese zu 15% in der Methodik. Weitere15% sind ein reiner Placeboeffekt, positive Veränderungen im Laufe der Behandlung und Erfolge werden dieser vom Klienten per se zugeschrieben. Einen Anteil von 30% spricht der Professor der guten Beziehung zwischen Therapeut und Klient zu.

Die Alltagswelt des Menschen, seine Lebensweltfaktoren wie Familie, Freunde, Sport, Hobbys, haben mit 40% den größten Anteil, der zur positiven Veränderung beiträgt. Dieser Prozentsatz ist noch ausbaufähig, so Petzold und erklärt „Gute Zwischenmenschliche Beziehungen zu Menschen, die das Herz am rechten Fleck tragen - es sind die Laienhelfer die uns aus der Misere herausholen.“

Seelischer Halt durch die Unterstützung unserer Mitmenschen

Bonanno spricht dabei von Überwindungsleistung durch eine naturgegebene Resilienz. Es sind die natürlichen Ressourcen wie Angehörige und gute Freunde, aber auch persönliche Gesundheit und die eigene Vitalität, die uns den Kummer kompensieren und langsam vergessen lassen.

Das würde bedeuten, dass man schwere Sorgen und Nöte auch mal ohne professionelle und therapeutische Unterstützung in eine Schublade legen darf, ohne dabei Gefahr zu laufen, einen seelischen Schaden davon zu tragen. Stattdessen lieber häufiger joggen gehen und den Trost bei guten Freunden suchen? Eine sehr beruhigende Vorstellung!

Wie Petzold passend erklärt: „Was wegmachen, geht nicht mal so eben. Was neu hinmachen, geht einfacher“. Als Freund der positiven Psychologie, die auf die Stärken von Menschen ausgerichtet ist, empfiehlt er Burnout Patienten: „mache Dich selbst zum Projekt“ und verweist auf die Notwendigkeit, sich die eigenen Ressourcen und Potenziale bewusst zu machen.

Hat man dann den eigenen Willen zur Veränderung erst einmal gestärkt, sind positiven Neubahnungen möglich. Um resilienter zu werden, können sodann Strategien der kreativen Situationsbewältigung entwickelt werden.

Somit ist für viele Betroffene ein Burnout die Chance, das eigene Leben „endlich“ selber in die Hand zu nehmen um etwas ganz Neues zu beginnen. Raus aus alten Mustern, um endlich Dinge zu tun, die glücklich und zufrieden machen. Souveränität und die Entwicklung eines stabilen Selbst sind dabei die Grundlagen eines erfolgreichen Selbstmanagements.

Gerhard B. ist heute sein eigener Herr und betreibt ein Fahrradgeschäft. Mit der Unterstützung alter Radkumpels organisiert er außerdem Mountainbike- und Rennradtouren. Seine Frau und auch die Kinder haben das Vorhaben von Anfang an mit unterstützt und helfen ab und zu im Laden. „Steht die ganze Familie hinterm Tresen, dann ist es richtig lustig. Heute weiß ich, wie nützlich die Bauchlandung für mich war. Und ich bin sogar dankbar dafür. Ohne den Zusammenbruch wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt stehe.“

Laut Petzold gibt es Burnout Betroffene, „die haben nach der Krise erst richtig aufgedreht“. Diese Menschen haben aus der Not heraus den Mut aufgebracht, ihr Leben komplett umzukrempeln und ihre Träume zu verwirklichen.

Die, wenn auch ungewollte Entschleunigung, die eine Krise mit sich bringt und der Zustand, in dem gefühlt „rein gar nichts mehr geht“, zwingt den Betroffenen umzudenken. Und sich mit seiner eigenen Persönlichkeit, seinem Leben und seiner Umgebung zu beschäftigen.

Die Sorge um sich selbst wirft Fragen auf wie: Was hat mich krank gemacht? Was muss ich ändern, damit ich wieder gesund werde? Und vor allem: Worüber freue ich mich? Was macht mich glücklich und zufrieden?

Einfache Fragen, die wir uns immer mal wieder zwischendurch stellen sollten. Auch in Zeiten, in denen es gerade ganz gut läuft. So lernen wir unser Leben angemessen zu wertschätzen und erhalten ein Gefühl für die Situationen und Tätigkeiten, die uns motivieren und antreiben.

Manchmal sind es die einfachen Dinge, die uns fast täglich begegnen können, wie das freundliche Lächeln der Sekretärin, das gemeinsame Bolzen mit dem Sohn auf dem Fußballplatz oder ein Spaziergang im Wald. Das Wissen darum kann uns im „Worst Case“ für die eigene Neu- und Selbstregulierung sehr nützlich sein.

Hören wir öfter mal in uns hinein und schenken uns selber mehr Vertrauen! Kinder machen es uns vor, wie die kleine dreijährige Marie, die immer dann, wenn sie vom Klettergerüst fällt laut aufheult, sich schnell besinnt und ruft: „Ich bin doch Pippi, ich bin stark und kann das!“. Dann versucht sie es erneut und schmettert ein fröhliches Lied: „Hey Pippi Langstrumpf falleri fallera fallerhoppsassa...!“

Patzak, Anke Job & Karriere Coach
26. Juli 2018